ÖAMTC Barbara Reiter

Worauf muss beim Kauf von Elektro-Rollstühlen geachtet werden? Wie unterstützt der ÖAMTC Personen mit Beeinträchtigung und was passiert eigentlich, wenn ein Unfall mit dem Elektro-Rollstuhl verursacht wird?

 

Wir von der Help-24 GmbH durften Frau Barbara Reiter, Expertin und Ansprechperson für Clubmitglieder mit Behinderungen beim ÖAMTC unsere Fragen stellen und sind begeistert davon, wieviel Unterstützung Betroffene beim ÖAMTC erhalten. Wir freuen uns sehr darüber, dass das Thema Barrierefreiheit sich in den letzten Jahren so positiv weiterentwickelt hat. Wir bedanken uns recht herzlich bei Frau Reiter für das aufschlussreiche Interview und Ihnen wünschen wir viel Freude beim Lesen.

Help-24: „Welche Informationen sollten, prinzipiell eingeholt werden, bevor man sich für einen Elektro-Rollstuhl entscheidet?

Reiter: „Vor der Anschaffung sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man den Rollstuhl hauptsächlich einsetzen möchte. Wie breit sind die Türen in der Wohnung und am Arbeitsplatz, kann man auch die Sanitäranlagen gut erreichen? Wird der Rollstuhl hauptsächlich in Innenräumen oder auch Outdoor und bei schwieriger Bodenbeschaffenheit verwendet? Oder zum Sport, wird dementsprechend Vorder- der Hinterradantrieb benötigt? Welche Steigungen möchte man damit überwinden, wie groß ist die benötigte Reichweite? Soll der Rollstuhl allein mit der Hand gesteuert werden oder soll auch eine Assistenzperson den Antrieb bedienen können? Soll der Rollstuhl auch mit dem Auto transportiert werden und dafür eventuell klapp- oder zerlegbar sein? Je nach Art der Verladung kann das Gewicht des Rollstuhls relevant sein. Benötigt man eine Liege- oder Stehfunktion? Wird eine bestimmte Art von Sitzkissen oder eine Anpassung durch Polsterungen benötigt?

Auch die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist ein Thema, es kann sein, dass nur bestimmte Modelle von der Krankenkasse finanziert werden.
Am besten lässt man sich zu verschiedenen Modellen in einem Sanitätshaus oder einem Fachgeschäft für Rehabilitationsbedarf fachgerecht beraten. Im Fachhandel wird auch die richtige Anpassung und Einstellung auf Körpermaße vorgenommen und häufig wird die Einreichung bei der Krankenkasse direkt erledigt.“

Help-24: „Benötige ich eine Fahrerlaubnis? Und wer ist eigentlich dazu berechtigt, einen Elektro-Rollstuhl zu fahren?“

Reiter: „In Österreich wird für das Steuern eines elektrischen Rollstuhls keine Lenkberechtigung benötigt. Ein Elektro-Rollstuhl ist für die Benützung durch Menschen mit Behinderungen vorgesehen, auch Kinder mit Behinderungen dürfen einen Elektro-Rollstuhl lenken.“

Help-24: „Wo darf mit einem Elektro-Rollstuhl gefahren werden, gibt es hier etwas zu beachten?“

Reiter: „Mit Rollstühlen darf auf Gehsteigen und Gehwegen gefahren werden, aber auch in Begegnungszonen, Wohnstraßen oder in Fußgängerzonen. Die Benützung von Schutzwegen ist erlaubt. Verboten ist hingegen die Nutzung von reinen Radfahranlagen. Auf Freilandstraßen muss mit dem Rollstuhl auf der linken Straßenseite gefahren werden. Ist kein Gehsteig oder Gehweg oder auf Freilandstraßen kein Bankett vorhanden, darf man auf die Fahrbahn ausweichen.“

Help-24: „Mit welcher Beleuchtung muss ein Elektro-Rollstuhl ausgestattet werden?“

Reiter: „Da E-Rollstühle nicht als Fahrzeuge gelten, besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Beleuchtung. Aus Sicherheitsgründen empfehlen ÖAMTC-Expert:innen allerdings die Verwendung geeigneter Reflektoren – noch besser eine aktive Beleuchtung nach vorne und hinten sowie seitliche Reflektoren.“

Help-24: „Wie sieht es aus mit der Geschwindigkeitsbegrenzung? Wie schnell darf ein Elektro-Rollstuhl fahren? Und gelten in Österreich dieselben Regelungen wie in Deutschland?”

Reiter: „Im Regelfall erreichen E-Rollstühle eine Geschwindigkeit von maximal 15 km/h. Auf Gehwegen und Gehsteigen darf man aber maximal mit Schrittgeschwindigkeit (ca. 5 km/h) fahren. Die Rechtslage in Österreich unterscheidet sich aber von der Rechtslage in Deutschland.“

Help-24: „Darf ich Alkohol trinken und trotzdem mit dem Elektro-Rollstuhl fahren?“

Reiter: „Rollstuhlfahrer:innen werden rechtlich Fußgänger:innen gleichgehalten, daher gibt es keine vorgeschriebene Promillegrenze und kein gesetzliches Verbot. Mit steigender Alkoholisierung erhöht sich aber das Risiko von Fehlverhalten und damit einhergehenden Unfällen.

Wer wiederholt betrunken oder mit einem hohen Promillegehalt erwischt wird, läuft Gefahr, dass ein Führerschein-Entziehungsverfahren eingeleitet wird, weil eine krankhafte Alkoholabhängigkeit mit Auswirkungen auf das Lenken eines Autos oder Motorrades befürchtet wird. Wenn man im alkoholisierten Zustand einen Unfall verursacht, ist man schadenersatzpflichtig und das kann je nach Schwere des Unfalls hohe Kosten verursachen.“

Help-24: „Was passiert, wenn ich einen Unfall mit dem Elektro-Rollstuhl verursache?“

Reiter: „Kommt es zu einem Verkehrsunfall, haben Unfallbeteiligte sofort anzuhalten und die Unfallstelle ist entsprechend abzusichern. Die Unfallbeteiligten haben an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Wer der Meldepflicht nach einem Unfall mit Personenschaden nicht nachkommt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Die Behörde muss bereits bei kleinen Verletzungen wie Prellungen oder Hautabschürfungen verständigt werden. Schon die Vermutung, dass jemand verletzt sein könnte, reicht aus.

Bei bloßen Sachschäden ist es in der Regel nicht notwendig, die Polizei zu rufen. Wenn jedoch kein Datenaustausch möglich ist oder der Unfallverursacher den Geschädigten nicht ausfindig machen kann, ist auch bei reinen Sachschäden eine Meldung bei der Polizei erforderlich.

Eine sogenannte “Blaulichtsteuer” muss beispielsweise bezahlt werden, wenn die Polizei zu einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden gerufen wird, bei dem der Datenaustausch (Name und Anschrift) unter den Unfallbeteiligten möglich gewesen wäre. Die Gebühr beträgt pauschal 36 Euro.“

Help-24: „Muss ich beim Verreisen mit dem Elektro-Rollstuhl etwas berücksichtigen?“

Reiter: „Man sollte unbedingt das Ladegerät, einen passenden Adapter/Reisestecker und Trafo sowie ein Verlängerungskabel einpacken. Beim Hotel sollte man die benötigte Barrierefreiheit vor der Buchung konkret abfragen, der ÖAMTC bietet als Hilfestellung eine Hotelcheckliste an.

Es gibt bei Reisen mit dem Flugzeug, der Bahn oder dem Schiff spezielle Rechte für Menschen mit Behinderungen. Der Bedarf von Hilfeleistungen muss aber rechtzeitig vor Reiseantritt beim jeweiligen Beförderungsunternehmen angemeldet werden. Menschen mit Behinderungen haben auf Flugreisen innerhalb der EU das Recht auf Mitnahme von zwei Mobilitätshilfen, diese zählen daher nicht zur zulässigen Freigepäcksmenge.

Es gibt je nach Fluglinie unterschiedliche Regelungen darüber, welcher Batterietyp transportiert wird, ob die Batterie am Rollstuhl befestigt, im Handgepäck oder im eingecheckten Gepäck verstaut sein muss. Das Mitführen eines Sicherheitsdatenblattes/Material Safety Data Sheet (MSDS) und einer Bestätigung des Herstellers über die Art der Batterie ist sinnvoll.

Wenn möglich, sollte die Steuereinheit vor dem Einchecken des Rollstuhls abgenommen und im Handgepäck verstaut werden. Die Bremse und die Entriegelung für manuelles Schieben sollten gekennzeichnet werden und Fotos des Rollstuhls und der Verkabelung vor dem Einchecken gemacht werden.”

Help-24: Gibt es spezielle Angebote für Rollstuhlfahrer vom ÖAMTC?“

Reiter: „Der ÖAMTC bietet seit vielen Jahren in Wien und Salzburg Servicestellen für die Mobilitätsberatung von Menschen mit Behinderungen an. Bei einer erheblichen Mobilitätseinschränkung gibt es auch eine Ermäßigung des ÖAMTC-Mitgliedsbeitrags. Zuletzt wurden alle ÖAMTC Stützpunkte in Wien mit dem Equally Welcome-Siegel ausgezeichnet, das die gute Zugänglichkeit und freundliches Service für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen würdigt.

Sollte es unterwegs zu einer Panne mit dem Rollstuhl kommen und das Clubmitglied mit dem Pannenfahrzeug erreichbar sein, so wird jedenfalls Pannenhilfe geleistet. Kann die Pannenhilfe nicht erfolgreich abgewickelt werden, so unterstützen wir unsere Mitglieder bei der Organisation der Heimfahrt.“

Help-24: „Hat sich in den letzten Jahren das Thema barrierefrei mehr etabliert und weiterentwickelt? Wie ist Ihr Eindruck dazu?”

Reiter: „Ich denke, dass wir in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich große Fortschritte in Sachen Barrierefreiheit gemacht haben – es gibt allerdings immer noch Luft nach oben. Aus meiner Sicht sollte bereits bei der Planung von Verkehrsflächen und öffentlichen Gebäuden die Benützbarkeit durch möglichst viele Menschen mitgedacht werden, damit Behinderungen durch die Umgebung erst gar nicht entstehen. Auch die Bedienbarkeit von Automaten oder Gegenständen des täglichen Gebrauchs sollte im Sinne eines Designs für alle gestaltet werden. Damit schaffen wir die Grundvoraussetzungen für die Inklusion aller Menschen.“